Am 2. Dezember startete die 51. Legislatur des Nationalrates. Vorfreudig durfte ich meinen Platz neben Sandra Locher Benguerel in der zweithintersten Reihe der SP-Fraktion einnehmen. Die Freude paarte sich schnell mit Demut vor der neuen Aufgabe.
Kurz vor der Vereidigung dachte ich an die drei Persönlichkeiten, die in den letzten 44 Jahren das fortschrittliche Graubünden in Bern vertreten haben: Silva Semadeni, Andrea Hämmerle und Martin Bundi. Werden Sandra und ich ihre Fussstapfen ausfüllen können? Welch grosse Herausforderung! Mit diesem Gedanken gelobte ich zusammen mit meinen 199 Kolleginnen und Kollegen, «die Verfassung und die Gesetze zu beachten und die Pflichten meines Amtes zu erfüllen.» Innerlich nahm ich mir zugleich vor, mich mit Silva, Andrea und Martin auszutauschen und einmal mehr von ihnen zu lernen.
Ein Treffen mit Martin Bundi ist leider nicht mehr möglich. Am 1. Januar ist er verstorben. Seine grossen Leistungen für eine soziale und offene Schweiz, für eine intakte Natur, für unsere alpine Kultur und für das Romanische sind unbestreitbar. Enorm sind auch seine Verdienste für die Bündner Sozialdemokratie. Dass wir heute in Graubünden stark verankert sind und selbstbewusst politisieren können, verdanken wir zu einem guten Teil Martin Bundi. Traurig schreibe ich diese Zeilen. Wie gerne hätte ich mich noch einmal mit ihm beraten! Noch stärker als die Trauer sind aber der Respekt und die Dankbarkeit für alles was Martin getan hat. Sie sind ein weiterer Ansporn, in Bern für unsere gemeinsamen Werte zu kämpfen.
Das Ende der rechten Mehrheit im Nationalrat und der Sieg der SP in Graubünden haben uns euphorisiert. Fortschritte in der Klima- und Umweltpolitik, im Verhältnis zu Europa, bei der Altersvorsorge und in der Familienpolitik schienen nach den Wahlen greifbar. Nach der ersten Session ist die Euphorie politischem Realismus gewichen. Vom Linksrutsch war noch wenig zu spüren, weil CVP und GLP bei zentralen Geschäften rechts abgebogen sind. Die grüne Bundesratskandidatur hatte keine Chance, der überteuerte Kauf von Kampfflugzeugen und die unsinnigen Schikanen für Zivildienstleistende müssen per Referendum bekämpft werden und die GAV-Pflicht in der Pflege ist im Nationalrat trotz Personalnotstand nicht mehrheitsfähig. Fortschritt im Parlament erfordert weiterhin Knochenarbeit. Eine Knochenarbeit, die Matin Bundi, Andrea Hämmerle und Silva Semadeni die letzten Jahrzehnte geleistet haben. Es liegt nun an Sandra und mir, sie weiterzuführen.
Dieser Artikel erscheint in der ersten Ausgabe 2020 des Concret, der Zeitschrift der SP Graubünden.