Wer einigermassen bodennah lebt, kennt mindestens jemanden, der oder die nach einem langen Arbeitsleben die Stelle verloren hat. Oft entstehen daraus Härtefälle. Einen neuen Job zu finden, ist für ältere Arbeitslose äusserst schwierig. Und die Taggelder der Arbeitslosenversicherung sind befristet. Auch hunderte Bewerbungen und mehrere Weiterbildungen bringen oft keinen Erfolg. Viele Betroffene verlieren zuerst das Einkommen und dann den Mut. Das Alterskapital muss frühzeitig angezapft und eine tiefere Rente in Kauf genommen werden. Oder noch schlimmer: Man landet in der Sozialhilfe. Der wirtschaftliche Abstieg ist menschlich entwürdigend und sozial zutiefst ungerecht. Die Betroffenen schämen sich. Dabei liegt die Schande bei uns allen. So dürfen wir als Gesellschaft einfach nicht mit Menschen umgehen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben!

Das Problem lässt sich auch statistisch erhärten. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist ab einem Alter von 55 Jahren dreimal höher als bei den Jüngeren. Die Sozialhilfequote in dieser Alterskategorie ist in den letzten Jahren um über 50 Prozent angestiegen. Und nur jede siebte ausgesteuerte Person über 55 wird wieder in den Arbeitsmarkt integriert. Die Fakten sind glasklar: Es braucht endlich eine sozialpolitische Lösung für dieses Problem.

Der Bundesrat hat dies erkannt. Mit einer Überbrückungsleistung will er die beschriebene Lücke in der sozialen Sicherheit schliessen. Menschen, die nach dem 60. Altersjahr von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert werden, sollen bis zur ordentlichen Pensionierung Überbrückungsleistungen erhalten – wenn sie in grösserem Umfang erwerbstätig waren und nur wenig Vermögen besitzen. Unfreiwillige Frühpensionierungen mit entsprechend reduzierten Renten oder der unwürdige Gang zur Sozialhilfe nach jahrzehntelanger Arbeit sollen verhindert werden. Die neue Leistung soll wie die EL berechnet werden und maximal 58’000 Franken pro Jahr betragen. Die Sozialpartner haben diese kluge Lösung entwickelt. Sie ist finanziell problemlos tragbar, auch weil sie den Gemeinden hilft, Sozialhilfekosten einzusparen.

Leider hat der Ständerat letzte Woche nicht wie gewohnt lösungsorientiert, sondern unsozial politisiert. Die Mehrheit hat die Überbrückungsleistung für ältere Ausgesteuerte auf maximal 39’000 Franken gekürzt und zudem beschlossen, dass sie nur ausbezahlt wird, bis die Betroffenen mit 62 oder 63 vorzeitig AHV beziehen können. Damit verfehlt der Ständerat das Ziel der Überbrückungsleistung: ein würdiges Leben bis zur ordentlichen Pensionierung ohne Kürzung der Altersrente. Was mögen betroffene Ausgesteuerte denken, die hunderte von Bewerbungen geschrieben haben und frustriert am Existenzminimum leben, wenn sie sich von gut besoldeten Ständeräten anhören müssen, man wolle halt keine Anreize fürs Nichtstun setzen? Eine Tageszeitung hat die doppelte Kürzung treffend als «schäbig» bezeichnet. 

Im März hat der Nationalrat die Chance, den schäbigen Entscheid des Ständerates zu korrigieren. Dann können wir in der grossen Kammer zeigen, wie lösungsorientierte Politik wirklich geht. Mit einem Ja zu einer ungekürzten Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose. Denn echte Lösungen messen sich am Fortschritt für Betroffene.

Dieser Text ist am 18. Dezember 2019 als Kolumne in der Südostschweiz erschienen.

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