Seit Jahren fordert die Finanzbranche die Senkung des Umwandlungssatzes und damit der Renten in der zweiten Säule. Die Begründung: Die Versicherten würden immer älter, die Renditen sänken, es reiche einfach nicht mehr für die Finanzierung der Renten. Zudem fände eine ungerechtfertigte Umverteilung von den aktiven Jungen zu den pensionierten Alten statt. Diese Argumentation steht am Anfang der BVG-Vorlage, über die wir am 22. September abstimmen. Doch die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent, welche für Einkommensteile zwischen 22’000 und 88’000 Franken eine Rentensenkung von rund 12 Prozent bewirkt, ist mathematisch schlicht unnötig.
Die Kassen mit Versicherten im überobligatorischen Bereich, also mit Lohneinkommen von über 88’000 Franken, haben ihre nicht regulierten Umwandlungssätze längst gesenkt. Zudem haben die Pensionskassen über 156 Milliarden Franken Reserven gebildet. Und seit der Zinswende im Jahr 2021 gibt es rechnerisch keine Umverteilung mehr von den Jungen zu den Alten, wie die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge des Bundes bestätigt. Seit 2022 finanzieren die Pensionierten kalkulatorisch ihre Altersrente wieder selbst und leisten sogar einen kleinen Beitrag an die aktiven Versicherten. Der Anlass für die Reform ist somit hinfällig.
Es gibt wirklich keinen guten Grund, einer Vorlage zuzustimmen, welche die Pensionskassenrenten ein weiteres Mal senkt und zugleich viel höhere Lohnbeiträge von den Versicherten mit kleinen und mittleren Einkommen verlangt. Mehr bezahlen für weniger Rente – das ist schlicht ein zu schlechter Deal!
Nötig wäre viel mehr eine Reform, welche die Vermögensverwaltungskosten der Pensionskassen senkt. Doch dazu findet man in der Abstimmungsvorlage gar nichts. Der ehemalige Preisüberwacher Rudolf Strahm berechnet, dass die gesamten Verwaltungskosten der Pensionskassen 8,6 Milliarden Franken betragen. Das sind 1’450 Franken pro versicherte Person und Jahr. Milliarden von Franken landen also bei Versicherungen und Banken, ohne echte Transparenz über deren Tätigkeit.
Effizient geführte Kassen haben gerade einmal halb so hohe Kosten wie der Durchschnitt aller 1’353 Pensionskassen. Deshalb bräuchte es Vorgaben, die Pensionskassen dazu zwingen, standardisierte Kennzahlen zu ihren Verwaltungskosten zu publizieren. So würde Druck für eine effiziente und faire Verwaltung der Sparguthaben entstehen. Die Gewerkschaften schätzen, dass man jährlich bis zu zwei Milliarden Franken zugunsten der Versicherten einsparen könnte. Statt also die Beiträge zu erhöhen und die Renten zu senken, muss das Parlament bei einem neuen Anlauf die Kosten anpacken.
Der einzige Vorteil der aktuellen Vorlage ist die Senkung des Koordinationsabzugs, welche Teilzeit arbeitenden Frauen (und Männern) einen bessere Vorsorge ermöglichen würde. Doch dieser fast unbestrittene Fortschritt wiegt die enormen Nachteile niemals auf. Er kann und soll nach der Ablehnung der Vorlage ins Gesetz aufgenommen werden, ohne zugleich die Renten für alle zu senken.
Dieser Artikel erscheint im Concret, der Zeitschrift der SP Graubünden.