Die 99-Prozent-Initiative will die Gewichte in der Steuerpolitik verschieben. Wer arbeitet, soll besser dastehen, als wer nur sein Geld «arbeiten» lässt. Wir wollen Einkommen aus Kapital künftig höher besteuern als Arbeitseinkommen. Zum Kapitaleinkommen zählen zum Beispiel Dividenden oder Kursgewinne auf Aktien. Kapitaleinkommen würden neu ab einem Schwellenwert von 100’000 Franken zum eineinhalbfachen Wert besteuert. Wer pro Jahr also mehr als 100’000 Franken durch Aktienbesitz verdient, soll für jeden Franken über dieser Schwelle auf 1.50 Franken Steuern zahlen. Das beschert unserem Gemeinwesen Mehreinnahmen, die wir wiederum für Steuersenkungen oder Unterstützungsleistungen für Arbeitseinkommen einsetzen. Hohe Kapitaleinkommen zahlen etwas mehr, Arbeitseinkommen profitieren. Das ist fair, denn nur Arbeit schafft echte Werte.
Das heutige Steuersystem ist hingegen ungerecht, weil es die Superreichen privilegiert. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es bei uns keine Kapitalgewinnsteuer. Und Dividenden müssen auch nicht vollständig versteuert werden, sofern jemand mehr als zehn Prozent der Aktien eines Unternehmens hält. Hingegen müssen normale Menschen jeden Lohn- oder Rentenfranken komplett versteuern. Mit der 99-Prozent-Initiative können wir diese Ungerechtigkeit korrigieren.
Das ist dringend nötig. Denn die wirtschaftliche Ungleichheit hat in der Schweiz ein ungesundes Ausmass angenommen. Die obersten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen rund drei Viertel des Reichtums und vermehren ihn Jahr für Jahr praktisch ohne eigene Arbeitsleistung. Diese Entwicklung ist eine Gefahr für den Zusammenhalt und für die Demokratie in unserem Land. Die 99%-Initiative ist ein gutes Mittel, endlich Gegensteuer zu geben.
Dieser Text ist als Meinungsbeitrag in der Südostschweiz vom 1. September 2021 erschienen.