Die Solidarität der Bevölkerung in dieser schwierigen Zeit ist beeindruckend. Eine grosse Mehrheit der Menschen hält sich diszipliniert an die Regeln gegen das Virus. Trotz wirtschaftlicher Existenzangst. Trotz schnell steigender Arbeitslosigkeit. Trotz Zusatzbelastungen in der Familie. Trotz massiver Einschränkungen unserer Freiheit.

Nun wächst der politische Druck für eine schnelle Lockerung der Regeln. Das ist verständlich. Aber nicht unbedingt vernünftig. Die Schweiz weist eine der höchsten Pro-Kopf-Infektionsraten der Welt aus. Unsere Spitäler sind nur dank den Massnahmen des Bundesrates und der Disziplin der Bevölkerung nicht kollabiert. Damit haben wir Menschenleben gerettet! Nun dürfen wir es nicht schleifen lassen. Der Schutz der Gesundheit muss weiterhin Priorität haben. Das ist ethisch aber auch wirtschaftlich richtig. Denn die Schäden einer zweiten Coronawelle wären ungleich grösser als die temporäre Weiterführung der Massnahmen. Zu Recht hat Bundesrat Alain Berset stets betont, dass bei der Gesundheit wissenschaftliche Erkenntnis und nicht politisches Lobbying die Richtschnur ist.

Mehr politische Debatte braucht es hingegen um die wirtschaftspolitische Antwort auf die Krise. Wie stoppen wir den Anstieg der Arbeitslosigkeit? Wie verhindern wir, dass auf die Epidemiewelle eine Pleitewelle folgt? Wie halten wir die gesamtwirtschaftlichen Kosten möglichst tief? All das hängt von der wirtschaftspolitischen Reaktion ab. Und die ist bisher ungenügend.

Natürlich ist die Ausweitung der Kurzarbeit goldrichtig. Sie rettet Arbeitsplätze und entlastet Unternehmen. In der Krise zeigt sich, wie wertvoll ein Sozialwerk wie die Arbeitslosenversicherung ist! Auch das Kreditprogramm des Bundes, das vom Kanton Graubünden aufgestockt wurde, ist nützlich. Damit erhalten Unternehmen dringend benötigte Liquidität. Doch Kredite reichen nicht.

Wirtschaftszweige mit tiefen Margen, wie der für uns so wichtige Tourismus, ertragen keine weitere Verschuldung im grossen Stil. Überschuldete Hotels, Restaurants und andere Betriebe können auf Jahre hinaus nicht investieren und keine Innovationen finanzieren. Das schadet ihrer Wirtschaftskraft langfristig. Sie brauchen Geld, keine Schulden. Ebenso brauchen Kultur- und Sportinstitutionen finanzielle Unterstützung ohne zusätzliche Verschuldung. Mindestens im Umfang der wegen des Lockdown angefallenen Einbussen.

Eine schnelle Einkommensgarantie brauchen endlich auch diejenigen, die bis jetzt durch alle Maschen fallen. Selbstständige, deren Tätigkeit zwar nicht verboten aber wegen den Gesundheitsmassnahmen faktisch verunmöglicht wurde: Physiotherapeutinnen, Taxifahrer, Kulturschaffende, Skilehrer, Grafikerinnen, Texter, Fotografinnen und viele andere.

All diese Realitäten zeigen, dass es auch Programme für A-fonds-perdu-Beiträge braucht. Nur so können KMU, Kultur, Sport und Selbstständige gerettet werden. Finanzpolitisch können wir uns das locker leisten. Die Bundesschuld ist tief, der Kanton Graubünden hat ein Milliarden-Nettovermögen und die Zinsen sind negativ. Umfassende Stützungsmassnahmen von Bund und Kantonen sind jetzt eine Notwendigkeit. Was wir uns nämlich nicht leisten können, ist, einen Teil der Bevölkerung im Stich zu lassen.

Dieser Text ist am 8. April 2020 als Kolumne in der Südostschweiz erschienen.

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