Wir leben in einer gefährlicher werdenden Welt. Die Klimakrise, der verbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der islamistische Terror der Hamas und Israels Missachtung des humanitären Völkerrechts im Gazakrieg sowie viele weitere Konflikte und Krisen machen Angst. Dazu kommt, dass Demokratie und Rechtsstaat auf allen Kontinenten von autoritären Kräften angegriffen werden. Xi, Putin, Orban oder Trump lassen grüssen.
Diesen Herausforderungen muss die Schweiz mit einer mutigen Aussenpolitik begegnen. Dem Reflex eines Rückzugs in die vermeintlich sichere Isolation darf nicht nachgegeben werden. Unsere Verfassung verpflichtet uns, internationale Lösungen anzustreben, welche eine regelbasierte Weltordnung überleben lassen. Nur wenn die Stärke des Rechts das Recht des Stärkeren schlägt, kann die Schweiz frei und sicher bleiben.
Darum ist internationale Zusammenarbeit für Frieden, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung so wichtig. Sie hilft mit, die Welt zu stabilisieren, verhindert weitere Krisen und stärkt die Reputation der Schweiz in der Welt. Der von der SVP und Teilen der FDP geforderte Kahlschlag bei der Entwicklungszusammenarbeit ist deshalb grundfalsch. Er wäre nicht nur eine Bankrotterklärung für die humanitäre Tradition der Schweiz. Er würde fundamentale aussen- und sicherheitspolitische Interessen unseres Landes untergraben.
Im globalen Süden würde die Schweiz ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Dabei liegt dort ein grosses Potenzial für unsere Aussenpolitik. Die Schweiz ist militärisch bündnisfrei und wird gerade im Süden als faire Vermittlerin wahrgenommen. Zudem hat sie keine – zumindest direkte – koloniale Vergangenheit und wird für ihr Bemühen um eine Reform der UNO geschätzt. In vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas oder Asiens hat unser Land ein besseres Image als andere westliche Staaten.
Die Schweiz ist prädestiniert dafür, sich für einen Multilateralismus jenseits starrer Blöcke einzusetzen. Es darf nicht darum gehen, sich autokratischen Regimes anzudienen. Aber gerade das erstarkte aussenpolitische Selbstbewusstsein der Demokratien des Südens wie Indien, Brasilien oder Südafrika erfordert Staaten in Europa, deren aussenpolitisches Denken und Handeln über die Logik der Blockbildung hinausgeht.
Die Schweiz muss sich konsequent und ohne Widersprüche auf die Seite des Völkerrechts schlagen. Im Fall der Ukraine ist dies gelungen. Im Gazakrieg wurde unser Land diesem Anspruch hingegen nicht gerecht. Während die Schweiz am UNO-Hauptsitz in New York zu Recht anmahnte, dass die unter katastrophalen Verhältnissen leidende Zivilbevölkerung geschützt werden müsse und der Zugang zur humanitären Hilfe nicht behindert werden dürfe, verzögerte und kürzte Bundesbern den eigenen Beitrag zu ebendieser Hilfe.
Diese Peinlichkeit wie auch der drohende Kahlschlag bei der Entwicklungszusammenarbeit zeigen, dass aussenpolitische Zusammenhänge in Bundesbern deutlich mehr Beachtung brauchen. Als neuer Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik werde ich mich dafür einsetzen. Weil ich überzeugt bin, dass Isolation und Nabelschau der Schweiz schaden. In einer gefährlicheren Welt können wir uns das schlicht nicht mehr leisten.
Dieser Text ist am 24. Juli 2024 als Kolumne in der Südostschweiz erschienen.