Das neue Verträge zwischen der Schweiz und der EU, die sogenannten «Bilateralen III», sind ein politischer Meilenstein für unser Land. Sie sichern unseren Zugang zum europäischen Binnenmarkt, ermöglichen die Teilnahme an Forschungs-, Bildungs- und Kulturprogrammen, schaffen Rechtssicherheit – und stärken die Position der Schweiz in einer gefährlichen Welt.

Wir müssen das sich – zum Glück – integrierende Europa nicht fürchten. Im Gegenteil: Die europäische Integration ist der Rahmen, in dem sich die Schweiz in der neuen Welt-Unordnung souverän behaupten kann. Angesichts der aggressiven Machtpolitik in Moskau, Peking und Washington können kleine Demokratien nur bestehen, wenn sie sich verbünden. Die EU ist deshalb nicht Gegnerin, sondern die historisch beste Nachbarin und weltpolitisch beste Freundin der Schweiz.

Die neuen Verträge bedeuten kein Unterwerfungsversuch, wie wir es von Trumps Amerika erleben, sondern eine partnerschaftliche Fortführung des bewährten bilateralen Wegs – auf Basis des Rechts und auf Augenhöhe. Ein zentraler Fortschritt sind die verrechtlichten Verfahren zur Streitbeilegung: Konflikte werden künftig juristisch statt politisch ausgetragen. Das stärkt gerade die kleinere Partnerin, also die Schweiz.

Ebenso entscheidend ist die Dynamisierung: Relevante EU-Regeln, die in unserem Interesse liegen, können künftig effizient übernommen werden – nicht als Automatismus, sondern mit der Möglichkeit, Ja oder Nein zu sagen. Gleichzeitig erhält die Schweiz Mitsprache im sogenannten «Decision Shaping». Das ist echte Souveränität durch Mitwirkung auf unserem vernetzten Kontinent.

Wirtschaftlich ist der europäische Binnenmarkt für unser Land unverzichtbar. Kein Abkommen mit Übersee kann ihn ersetzen. Der Bundesrat hat berechnen lassen, was ein Ende der bilateralen Verträge kosten würde: 4,9 Prozent weniger Wirtschaftsleistung bis 2045 – das wären rund 2’500 Franken Einkommensverlust pro Kopf und Jahr. Das ist kein Detail, sondern eine Frage des Wohlstands und der sozialen Sicherheit. Auch die Realität auf dem Arbeitsmarkt spricht eine klare Sprache: Ohne Arbeitskräfte aus der EU stünden viele Branchen still. Gerade in Graubünden. Zudem leisten diese Menschen mehr, als sie beziehen – sie zahlen deutlich mehr in unsere Sozialwerke ein, als sie daraus erhalten. Auch das belegen Studien.

Das neue Vertragspaket bringt also wirtschaftliche Sicherheit, stärkt dank einem guten innenpolitischen Kompromiss der Sozialpartner den Lohnschutz, eröffnet Perspektiven in Bildung und Forschung und erhöht die Versorgungssicherheit bei Strom und Gesundheit. Es ist kein Bruch, sondern die konsequente Weiterentwicklung des bilateralen Wegs – auf einer stabileren, zukunftsfähigeren Basis.

In einer Zeit von Kriegen, Imperialismus und Angriffen auf die Demokratie wäre das Experiment einer schweizerischen Isolation auf unserem Kontinent weder realistisch noch verantwortungsvoll. Die Zukunft der Schweiz ist untrennbar mit der Zukunft Europas verbunden.

Mit den «Bilateralen III» beweist die Schweiz, dass sie bereit ist, im Kreis der europäischen Demokratien aktiv und solidarisch mitzuwirken. Das ist keine Preisgabe unserer Unabhängigkeit – es ist ihre Voraussetzung.

Dieser Text ist am 22. Oktober 2025 als Kolumne in der Südostschweiz erschienen.

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