
Nächstes Jahr stimmt die Bevölkerung über die sogenannte Klimafonds-Initiative der SP und der Grünen ab. Sie ist ein konkreter Vorschlag, wie wir die grosse Herausforderung der Klimaneutralität sozialverträglich und wirtschaftlich sinnvoll bewältigen können.
Denn das Ziel ist längst gesetzt: Mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes hat das Volk 2023 entschieden, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden muss. Damit stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir handeln – sondern nur noch, wie. Genau hier setzt die Klimafonds-Initiative an. Ihr Ansatz ist vergleichbar mit dem Bündner Green Deal, den der Grosse Rat dieses Jahr verabschiedet hat – ein Beispiel kantonaler Pionierarbeit in der Schweizer Klimapolitik.
Klimaschutz ist kein Sparprogramm
Oft hört man: Wer das Klima schützen will, muss verzichten. Diese Sichtweise greift zu kurz. Denn führende Klimapolitik-Experten wie Prof. Anthony Patt von der ETH Zürich sagen uns etwas anderes: Klimaschutz ist nicht in erster Linie ein Sparprojekt. Klimaschutz ist ein Bauprojekt.
Wer die Emissionen im grossen Stil senken will, muss umbauen und umrüsten: Häuser, Heizanlagen, Stromversorgung, Industrieprozesse und Mobilität. Und das erfordert erhebliche Investitionen. Der Weltklimarat schätzt, dass weltweit rund 2 bis 4 Prozent des BIP pro Jahr investiert werden müssten, um den Umbau bis 2050 zu schaffen.
Die Klimafonds-Initiative schlägt vor, dass die Schweiz dafür jährlich 0,5 bis 1 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts einsetzt – finanziert durch Bundesmittel, die nicht der Schuldenbremse unterstellt sind. Das heisst: Der Bund nimmt dafür eine moderate Neuverschuldung in Kauf.
Das ist vernünftig, denn die Schweiz hat eine der tiefsten Schuldenquoten weltweit. Es ist auch klüger, als neue Steuern oder Abgaben zu erheben, die den Mittelstand oder das Gewerbe zusätzlich belasten würden.
Dieses Geld fliesst in einen speziell geschaffenen Klimafonds, der gezielt Investitionen in erneuerbare Energien, Gebäudesanierungen, neue Technologien, klimafreundliche Industrieprozesse, moderne Mobilität sowie die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften unterstützt. Solche öffentlichen Mittel haben eine starke Hebelwirkung: Sie lösen zusätzliche private Investitionen aus. So entsteht die nötige Dynamik, um die Transformation in Fahrt zu bringen.
Eine Investition in unsere Unabhängigkeit
Heute stammen rund 80 Prozent der Schweizer Treibhausgasemissionen aus fossilen Energieträgern – Öl, Gas, Benzin, Diesel, Kerosin. Diese Energien importieren wir teuer aus dem Ausland, oft aus politisch instabilen Regionen.
Wer das Klima schützt, stärkt damit auch unsere Energie- und Versorgungssicherheit. In einer Welt mit zunehmenden geopolitischen Spannungen – sei es in Russland, im Nahen Osten, in China oder den USA – ist das ein strategischer Vorteil. Der Klimafonds stärkt unsere Widerstandsfähigkeit als Volkswirtschaft.
Sozial gerecht, wirtschaftlich klug
Die ökologische Transformation wird nur dann mehrheitsfähig sein, wenn sie auch sozial gerecht ist. Wenn Haushalte mit mittleren und kleineren Einkommen ihre Heizungen ersetzen, Gebäude sanieren und in Zukunftstechnologien investieren können. Genau das ermöglicht der Fonds: Er unterstützt gezielt – sozial ausgewogen, wirtschaftlich vernünftig. Er schränkt nicht ein, sondern nimmt die Bevölkerung und die Wirtschaft mit.
Gleichzeitig stärkt er das regionale Gewerbe, die Forschung, das Bauhandwerk und die Energiebranche – dort, wo Klimapolitik konkret wird. In Graubünden etwa würde der Klimafonds direkt den kantonalen Green Deal ergänzen – und so zum Booster für eine klimafreundliche, regionale Wirtschaft werden.
Finanzpolitisch verantwortbar
Natürlich kosten solche Investitionen Geld. Aber es handelt sich um Ausgaben mit langfristigem Nutzen. Deshalb sollen sie laut Initiativtext nicht den restriktiven Regeln der Schuldenbremse unterstellt werden. Der liberale Ökonom Jean-Pierre Danthine, früher im Direktorium der Nationalbank, bringt es auf den Punkt: Die Schuldenbremse soll künftige Generationen schützen – genau wie der Klimafonds.
Wer heute nicht investiert, verursacht eine Investitionsschuld, die morgen umso teurer wird. Darum ist es richtig, mit dem Klimafonds ein Instrument einzuführen, das Zukunftsinvestitionen ermöglicht, ohne sie gegen andere Staatsaufgaben auszuspielen.
Die Schweiz war immer dann erfolgreich, wenn sie grosse Vorhaben als Generationenprojekte anging: die Elektrifizierung der Bahn, der Gotthardtunnel, die Wasserkraftwerke. Unsere Grosseltern bauten die Stauseen. Wir bauen jetzt das Energiesystem der Zukunft.
Eine pragmatische, schweizerische Lösung
Die Klimafonds-Initiative ist keine ideologische Träumerei. Sie ist pragmatisch, wirtschaftsfreundlich und sozial ausgewogen. Eine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit – mit konkreten Mitteln zur Erreichung eines demokratisch beschlossenen Ziels: Netto-Null bis 2050 – machbar, bezahlbar, gerecht. Sie verdient eine breite Unterstützung.
Dieser Text ist 27. Juni 2025 als Gastkommentar im Bündner Tagblatt erschienen.